Kurzarbeit: Kürzung des Urlaubsanspruchs und Neuerungen zum 01.05.2020

In diesem Beitrag sollen die Auswirkungen der Kurzarbeit auf die Urlaubsansprüche der Arbeitnehmer sowie die Neuerungen zum 01.05.2020 erläutert werden.

Urlaub während der Kurzarbeit

Urlaub kann auch während der Kurzarbeit genommen werden. Dies wird häufig wünschenswert sein, da auf diese Weise Kurzarbeit ggf. vermieden werden kann. Das Urlaubsentgelt ist vom Arbeitgeber in der üblichen Höhe zu gewähren. Verdienstkürzungen, die durch die Kurzarbeit eintreten, bleiben unberücksichtigt, § 11 Abs. 1 S. 2 des Bundesurlaubsgesetzes (BUrlG). Damit können die Arbeitnehmer also Verdienstausfälle durch Kurzarbeit vermeiden, indem sie Urlaub nehmen.

Kürzung oder Reduzierung des Urlaubsanspruchs bei Kurzarbeit

Im Jahr 2012 hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) auf Vorlage des Arbeitsgerichts Passau entschieden, dass die Situation des Kurzarbeiters mit derjenigen eines Teilzeitbeschäftigten vergleichbar ist. Denn im Vergleich z.B. zu einem langzeiterkrankten Arbeitnehmer hätte der Arbeitnehmer während der „Kurzarbeit-Freizeit“ die Möglichkeit, sich auszuruhen oder beliebigen Freizeitaktivitäten nachzugehen. Nach Auffassung des EuGH kann deshalb der Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub für eine Zeit der Teilzeitbeschäftigung im Verhältnis zur Arbeitszeitreduzierung reduziert werden.

Mit diesen Feststellungen ist die geltende Rechtsprechung zum Thema Urlaubskürzung bei Kurzarbeit aber auch bereits erschöpft; es ist nach deutschem Recht unklar, ob die Verringerung der Urlaubsansprüche während der Kurzarbeit automatisch eintritt, durch den Arbeitgeber angeordnet werden muss oder ob es hierzu einer ausdrücklichen Vereinbarung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer bedarf.

Damit ist die Urlaubskürzung, sofern Arbeitgeber eine solche vornehmen möchten, nur unter genauer Prüfung der betrieblichen Voraussetzungen im Einzelfall zu empfehlen, um später Klagen von Arbeitnehmern zu vermeiden.

Wann kann der Arbeitgeber in der Praxis bei „Teilzeit–Kurzarbeit“ eine Kürzung durchführen?

Eine rechtssichere, nicht angreifbare Kürzung dürfte für Arbeitgeber in der aktuellen Situation nur dann möglich sein, wenn der Arbeitsvertrag ausdrücklich eine bestimmte Anzahl an Urlaubstagen basierend auf einer bestimmten Anzahl an Wochenarbeitstagen vorsieht und die Anzahl der Wochenarbeitstage (nicht: die Anzahl der an den jeweiligen Tagen gearbeiteten Stunden) für die Dauer der Kurzarbeit herabgesetzt wird.

Die Errechnung kann sich mitunter kompliziert gestalten, wie folgendes (vereinfachtes) Beispiel verdeutlicht:

Beispiel:     

Arbeitnehmer A hat einen vertraglichen Anspruch auf 30 Urlaubstage/ Jahr, basierend auf einer 5-Tage-Woche (Montag bis Freitag). Auf die einzelnen Monate verteilt bedeutet das einen monatlichen Urlaubsanspruch von 2,5 Tagen.

Aufgrund von Kurzarbeit arbeitet er vorübergehend nur mehr in einer 3-Tage-Woche (Montag bis Mittwoch). Die Kurzarbeit im Betrieb besteht für 2 volle Kalendermonate.

Für die Dauer der Kurzarbeit reduziert sich sein Urlaubsanspruch damit auf 18 Urlaubstage/ Jahr.  Der Arbeitnehmer erwirbt daher für 10 Monate je 2,5 Tage Urlaub und für 2 Monate je 1,5 Tage Urlaub, so dass am Ende der Urlaubsanspruch 28 Tage beträgt.

Die Kürzung kann in diesem Beispielsfall damit um genau zwei Tage erfolgen.

Dieses Rechenbeispiel verdeutlicht:

  • Eine Kürzung wirkt sich für den Arbeitgeber bei Teilzeit-Kurzarbeit nur bei längerer Kurzarbeitsdauer effektiv vorteilhaft aus.
  • Ferner ist die Kürzung bei Teilzeit-Kurzarbeit nur dann effektiv möglich, wenn arbeitsvertraglich der Jahresurlaub basierend auf einer bestimmten Anzahl an Wochenarbeitstagen festgelegt ist und infolge der Kurzarbeit weniger Wochenarbeitstage vorübergehend gearbeitet werden.
  • Wird die Kurzarbeit nicht für volle (Kalender-)Monate beibehalten, sondern wochenweise, so ist unter Umständen eine komplizierte „Herunterrechnung“ auf die jeweiligen Wochen durch den Arbeitgeber durchzuführen.

Streichung des Urlaubsanspruchs bei Kurzarbeit Null

Wird im Betrieb, z.B. aufgrund einer angeordneten Betriebsschließung, vorübergehend überhaupt nicht gearbeitet, so wird die Arbeitszeit der Arbeitnehmer häufig auf Null abgesenkt („Kurzarbeit Null“).

Nach obigen Grundsätzen, dass für die Zeit der „Kurzarbeit Null“ kein Urlaubsanspruch entsteht. Zur Errechnung des Jahresurlaubs ist die Zeit des Jahres, in der regulär gearbeitet wird, mit der Zeit der Kurzarbeit Null in Relation zu setzen und der erworbene Urlaubsanspruch im entsprechenden Umfang herabzusetzen.

VORSICHT Arbeitgeber!

Die vorstehenden Überlegungen sind von der deutschen arbeitsrechtlichen Rechtsprechung bislang nicht bestätigt worden, so dass aus unserer Sicht jede Urlaubskürzung potenziell das Risiko birgt, bei entsprechender Klage des Arbeitnehmers verworfen zu werden. Das Urteil des EuGH, das die Urlaubskürzung gebilligt hat und das einige Stimmen nunmehr bereitwillig auf jede Urlaubskürzung anwenden möchten, ist unserer Ansicht nach mit Vorsicht zu genießen. Denn in diesem speziellen Fall existierte ein zwischen dem Arbeitgeber und dem Betriebsrat ausgearbeiteter Sozialplan, wonach die Kurzarbeit Null der Verhinderung einer Entlassung der Arbeitnehmer aus wirtschaftlichen Gründen verhindern sollte. Dieser Fall ist auf die derzeitige Situation wohl bei kaum einem Unternehmen vollständig übertragbar.

Was aus dem Urteil mitgenommen werden kann, ist daher ausschließlich die allgemeine Feststellung, dass Kurzarbeiter wie Teilzeit-Arbeitnehmer zu behandeln seien. Auf diese Feststellung können dann die allgemeinen Grundsätze des Arbeitsrechts angewendet werden.

Fazit:

Die Urlaubskürzung oder -streichung für die Dauer der Kurzarbeit ist für die Arbeitgeber ein zumindest erwägenswertes Mittel, um Einsparungen in der Krisensituation möglich zu machen. Bei Erfüllung der entsprechenden, allgemeinen arbeitsrechtlichen Voraussetzungen ist die Kürzung von der aktuellen Rechtslage gedeckt.

Es sollte stets beachtet werden, dass wohl die meisten Arbeitnehmer die aktuelle Situation auch aus ihrer Sicht als sehr belastend sehen und damit die „Kurzarbeit Null“ nicht als erholsam im Sinne eines Jahresurlaubs empfinden. Es ist daher sehr gut möglich, dass viele Arbeitnehmer sich unter allen Umständen gegen die Kürzung ihres Jahresurlaubs sträuben werden.

Ob und in welcher Form sich die deutschen Arbeitsgerichte dann in der Zukunft zu dieser Frage positionieren werden, kann angesichts der völlig neuen Situation leider nicht vorhergesagt werden.

Als Arbeitgeber müssen Sie daher stets abwägen, ob Sie diesen Weg einschlagen möchten.

 

Neuerungen zum 01.05.2020 beim Thema „Kurzarbeitergeld“

App der Bundesagentur für Arbeit

Im Rahmen des akuten Arbeitsanfalls während der Corona-Krise hat die Bundesagentur für Arbeit zur Flexibilisierung ihrer Arbeit eine App geschaffen, die Arbeitgeber bei der Antragstellung auf Kurzarbeit unterstützen soll. Insbesondere können sämtliche Dokumente nunmehr über diese App versendet werden.

Die App ist für Apple und Google Play – Geräte jeweils in den Appstores kostenlos zum Download gestellt.

Anhebung des Kurzarbeitergeldes zum 1. Mai 2020

Um die Entgeltausfälle einer langen Kurzarbeitsperiode für die Arbeitnehmer halbwegs abzumildern, hat die Bundesregierung einen Gesetzentwurf für eine bis zum Jahresende 2020 befristete und gestaffelte Anhebung des Kurzarbeitergeldes vorgelegt. Die Erhöhung des Kurzarbeitergeldes ist abhängig von der Dauer der Kurzarbeit.

Das Inkrafttreten dieser Regelung ist rückwirkend zum 1. März 2020 geplant.

Demnach erhalten Arbeitnehmer, die über 4 bzw. 7 Monate hinweg durch die Kurzarbeit einen Arbeitsausfall von mindestens 50 % haben, ab dem 4. Bezugsmonat 10 % mehr Kurzarbeitergeld (also 70 bzw. 77 % des ausgefallenen Nettolohns) und ab dem 7. Bezugsmonats 20 % mehr Kurzarbeitergeld (also 80 bzw. 87 % des ausgefallenen Nettolohns). Als Bezugsmonate zählen dabei alle Monate seit März 2020.

Es gelten nach dem derzeitigen Gesetzentwurf dabei folgende Grundsätze:

Der erhöhte Leistungssatz wird bei KUG-Bezug seit März 2020 ab dem 4. Monat, also frühestens im Juni 2020, gewährt, wenn der Arbeitsausfall dann mindestens 50 % beträgt, und zwar unabhängig von der Höhe des Arbeitsausfalls in den Monaten März bis Mai.

Sprich: in denjenigen Monaten, in denen das erhöhte Kurzarbeitergeld gewährt werden soll, muss der Arbeitsausfall mehr als 50 % betragen.

Beispiel:             

Der kinderlose Arbeitnehmer erhält seit dem 15. März 2020 Kurzarbeitergeld. Vom 15. Juni 2020 bis zum 15. Juli 2020 hat er einen Arbeitsausfall von 60 %, arbeitet also nur 40 % seiner üblichen Sollarbeitszeit. Er erhält ab dem 15. Juni Kurzarbeitergeld in Höhe von 70 % seines ausgefallenen Nettolohns.

Ab dem 15. Juli 2020 wird seine Arbeitszeit auf 65 % seiner ursprünglichen Arbeitszeit angehoben. Da er dann keinen Mindestausfall von 50 % mehr hat, entfallen die Voraussetzungen für das erhöhte Kurzarbeitergeld und er erhält den regulären KuG-Satz von 60%.

Nach der Formulierung des Gesetzentwurfs kommt es auch nicht darauf an, ob in den 3 bzw. 6 Monaten „Wartefrist“ ununterbrochen Kurzarbeitergeld bezogen wurde. Die KuG-Bezugsmonate bis Dezember 2020 sind zusammenzurechnen, um festzustellen, ob gegebenenfalls ein erhöhter Anspruch besteht.

Fazit:

Bei Beginn der Kurzarbeit im März 2020 wird der erhöhte KuG-Satz frühestens im Juni 2020 bei dann mindestens 50-prozentigem Arbeitsausfall relevant.

Wir werden die dynamische Gesetzgebung bis dahin weiterhin im Blick behalten und Sie entsprechend informieren.

 

Für Rückfragen steht Ihnen die Rechtsabteilung gerne zur Verfügung.

 

Deggendorf, 30.04.2020

 

Kontakt:

Rechtsanwältin Eileen Strohschen
eileen.strohschen@kittl-partner.de
0991/37 005-513

Rechtsanwältin Kristina Günzkofer
kristina.guenzkofer@kittl-partner.de
0991/37 005-304

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