GmbH Geschäftsführer: Pflichten und Haftung in der Krise
Gerät die Gesellschaft in eine wirtschaftliche Schieflage, so muss der Geschäftsführer unverzüglich reagieren. Die Überwachung der Insolvenzantragspflichten gehört – unabhängig von einer etwaigen Ressortaufteilung – zu den zentralen Pflichten eines jeden bestellten Geschäftsführers. Jedem Geschäftsführer einer Kapitalgesellschaft – auch im Rahmen einer GmbH & Co. KG – ist dringend anzuraten, sich mit den Insolvenztatbeständen frühzeitig vertraut zu machen und die Liquidität des Unternehmens ständig zu überwachen.
Im nachfolgenden Beitrag möchten wir Ihnen zudem einen Überblick über die Tatbestände, die zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens führen können, geben sowie Parameter aufzeigen, anhand derer Sie Ihr Unternehmen wirksam überwachen und damit auch für sich als Geschäftsleitungsorgan die persönliche zivilrechtliche und strafrechtliche Haftung vermeiden können.
Zahlungsunfähigkeit (§ 17 InsO)
Zahlungsunfähigkeit liegt nach dem Gesetzeswortlaut vor, wenn der Schuldner nicht in der Lage ist, die fälligen Zahlungspflichten zu erfüllen, d.h. wenn die laufenden Zahlungsverpflichtungen nicht mit den zur Verfügung stehenden Zahlungsmitteln erfüllt werden können. Dabei liegt Zahlungsunfähigkeit im insolvenzrechtlichen Sinne vor, wenn der Schuldner 90 % seiner fälligen Gesamtverbindlichkeiten nicht innerhalb der nächsten drei Wochen aus den zur Verfügung stehenden Mitteln bedienen kann.
Liegen hierfür erste Anhaltspunkte oder Befürchtungen vor, sollten Geschäftsführer anhand einer sog. Liquiditätsbilanz vorgehen:
- Zunächst werden dabei (zu einem bestimmten Stichtag) die fälligen Verbindlichkeiten den liquiden Mitteln gegenübergestellt, wobei als liquide Mittel neben Bargeld- und Kontoguthaben auch Kreditlinien und sicher zu erwartende Forderungen einbezogen werden dürfen. Für die Beurteilung der „Fälligkeit“ der Verbindlichkeiten ist zunächst die Parteivereinbarung maßgeblich; gibt es eine solche Parteivereinbarung nicht, ist die Verbindlichkeit im Zweifel sofort fällig. Stundungsvereinbarungen bzgl. gestundeter Verbindlichkeiten sind im Zweifel nachzuweisen.
- Ergibt diese Analyse, dass die liquiden Mittel die fälligen Verbindlichkeiten nicht decken, ist mittels eines dynamischen Finanzplans festzustellen, ob es sich bei der Unterdeckung nur um eine vorübergehende Zahlungsstockung handelt, die innerhalb der nächsten drei Wochen wieder behoben werden kann. Dann liegt noch keine Zahlungsunfähigkeit vor.
- Ergibt die Aufstellung, dass die Liquiditätslücke auch nach drei Wochen noch vorhanden ist, stellt sich die Frage, wie groß diese ist. Ist die Liquiditätslücke kleiner als 10 % der fälligen Verbindlichkeiten und kann in absehbarer Zeit wieder beseitigt werden, liegt noch keine Zahlungsunfähigkeit vor.
Suggeriert der Schuldner durch sein Verhalten Außenstehenden, er habe seine Zahlungen eingestellt (Bsp.: Nichteinhaltung von Zahlungszusagen, zurückgegebene Lastschriften), wird die Zahlungsunfähigkeit widerlegbar vermutet (§ 17 Abs. 2 S. 2 InsO).
Überschuldung (§ 19 InsO)
Eine insolvenzrechtliche Überschuldung liegt vor, wenn das Vermögen des Schuldners die bestehenden Verbindlichkeiten nicht mehr deckt, es sei denn, die Fortführung des Unternehmens ist nach den Umständen überwiegend wahrscheinlich.
Die Überschuldungsprüfung erfolgt in zwei Schritten:
- Ermittlung des Überschuldungsstatus: darunter ist ein stichtagsbezogener Status zu verstehen, in dem die Aktiva den Passiva des Schuldners zu Liquidationswerten gegenübergestellt werden. Auf der Aktivseite sind stille Reserven zu berücksichtigen, auf der Passivseite müssen aber auch die Liquidationsverbindlichkeiten und entsprechende Rückstellungen berücksichtigt werden. Bestehen Verbindlichkeiten, für welche ein sog. qualifizierter Rangrücktritt erklärt wurde, dürfen diese Verbindlichkeiten im Überschuldungsstatus für die Betrachtung der rechnerischen Überschuldung außer Acht gelassen werden.
- Ergibt sich anhand des Überschuldungsstatus eine rechnerische Überschuldung, ist im nächsten Schritt die sog. Fortführungsprognose zu stellen. Hier ist eine zukunftsorientierte Kostendeckungsrechnung zu erstellen, aus der sich ergibt, ob die Gesellschaft im Prognosezeitraum dauerhaft imstande sein wird, ihre fälligen Verbindlichkeiten zu decken. Voraussetzung für eine positive Fortführungsprognose ist der Wille zur Fortführung des Unternehmens, ein realisierbares Unternehmenskonzept sowie eine sich aus dem Unternehmenskonzept abzuleitende Liquiditätsprognose.
Achtung: eine handelsbilanzielle Überschuldung ist ein Indiz für das Vorliegen einer insolvenzrechtlichen Überschuldung; sobald eine solche vorliegt, ist zu prüfen, ob möglicherweise auch eine insolvenzrechtliche Überschuldung vorliegt.
Zur Haftungsentlastung sollte ein Geschäftsführer mit den entsprechenden Prognosen stets einen externen Dienstleister (z.B. einen Wirtschaftsprüfer) beauftragen.
Folgen der Insolvenzreife
Ergibt die entsprechende Analyse nach obigen Gesichtspunkten, dass Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung vorliegt, muss der Geschäftsführer unverzüglich, spätestens aber innerhalb von drei Wochen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Unternehmens zu stellen. Ansonsten droht dem Geschäftsleitungsorgan sowohl die zivilrechtliche als auch strafrechtliche Haftung (Stichwort: Insolvenzverschleppung).
Möglichkeiten der Unternehmenssanierung vor Insolvenz
Liegt zwar eine wirtschaftliche Schieflage, aber noch keine insolvenzrechtliche Überschuldung vor, so besteht trotzdem die Möglichkeit einer Sanierung nach der Insolvenzordnung oder außerhalb der Insolvenzordnung. Hierfür bieten sowohl die Insolvenzordnung als auch das StaRUG (Gesetz über den Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen für Unternehmen) unterschiedliche Möglichkeiten.
Das Institut der Wirtschaftsprüfer in Deutschland e.V. (IDW) hat mit dem Standard IDW S 6 einen anerkannten Rahmen für die Erstellung von Sanierungskonzepten geschaffen. Die darin definierten Anforderungen und Grundsätze basieren auf den in Rechtsprechung, Wissenschaft und Praxis entwickelten Maßstäben und gelten als Qualitätsmaßstab für Sanierungsgutachten. Ein nach IDW S 6 erstelltes Konzept stellt somit den „Goldstandard“ im Bereich der Sanierungsbegutachtung dar. Zugleich sind die formalen Anforderungen an ein solches Gutachten jedoch ausgesprochen umfangreich.
In der Praxis kann es daher sinnvoll sein, zunächst einen sogenannten Independent Business Review (IBR) in Auftrag zu geben. Dieser orientiert sich häufig an den Grundprinzipien des IDW S 6, ermöglicht jedoch eine flexiblere und passgenaue Ausgestaltung in Abstimmung mit dem Auftraggeber, was Kosten und Zeitaufwand im Vergleich reduziert. Der IBR wird in der Regel von unabhängigen Experten – meist Wirtschaftsprüfern – erstellt und bietet eine kompakte, fundierte Analyse der wirtschaftlichen Situation des Unternehmens. Er kann dadurch einen wertvollen Beitrag zur Vertrauensbildung bei Finanzierern, Investoren, Anteilseignern und nicht zuletzt bei der Geschäftsführung leisten.
Fazit
Jedem Geschäftsleitungsorgan ist anzuraten, sich – auch zur Vermeidung einer persönlichen Haftung – in Krisensituationen frühzeitig mit Sanierungsmöglichkeiten auseinanderzusetzen und sich durch einen im Insolvenzrecht spezialisierten Rechtsanwalt und/ oder Wirtschaftsprüfer/ Restrukturierungsberater eingehend beraten zu lassen, welcher auch das Vorliegen etwaiger Insolvenzgründe fundiert prüft.
Ihr Ansprechpartner zu diesem Thema:
Johannes Bachl
Tel: 0991/320138-740
E-Mail: johannes.bachl@kittl-partner.de