Fehler vermeiden bei der Versteuerung von Gutscheinen (2021)

BMF zur Versteuerung von Gutscheinen

Nachdem die Gutscheinrichtlinie der EU auch in Deutschland bereits zum 01.01.2019 in Kraft getreten ist, hat das BMF nach nunmehr zwei Jahren am 02.11.2020 ein Anwendungsschreiben dazu veröffentlicht und den Abschn. 3.17 in den Umsatzsteueranwendungserlass eingefügt.

Die Regelungen sind rückwirkend zum 01.01.2019 anzuwenden, allerdings gilt eine Nicht-Beanstandungsregelung für vor dem 02.02.2021 ausgestellte Gutscheine.

 

Definition „Gutschein“ im Sinne des Umsatzsteuerrechts

Ein Gutschein im Sinne des Umsatzsteuerrechts liegt nur dann vor, wenn die folgenden drei Voraussetzungen kumulativ erfüllt sind:

  • Der Gutscheinaussteller muss verpflichtet sein, den Gutschein ganz oder teilweise (gegen Zuzahlung) als Gegenleistung für eine Leistung anzunehmen, d.h. der Gutschein verleiht das Recht zum Bezug einer Leistung
  • Der Gutschein dient nicht nur der Realisierung von Preisnachlässen oder Preiserstattungen (hier besteht nur das Recht auf Entgeltminderung, aber nicht zum Leistungsbezug an sich)
  • Auf dem Gutschein oder zugehörigen Dokumenten ist entweder der konkrete Leistungsgegenstand oder die Identität des Leistenden angegeben.

Nicht zu den Gutscheinen gehören somit z.B. Rabatt“gutscheine“, Eintrittskarten und Fahrscheine, Gutscheine für Warenproben oder Briefmarken. Gleiches gilt für Zahlungsdienstleister und Zahlungsinstrumente, die jederzeit gegen den hierfür gezahlten Betrag zurückgetauscht werden können (z.B. Bitcoins, Guthabenkarten in Abgrenzung zu Gutscheinkarten).

 

Einzweckgutschein

Ein Einzweckgutschein ist dadurch definiert, dass

  • der Ort der Leistung und
  • die für die Leistung geschuldete Steuer
  • im Zeitpunkt der Ausgabe (Verkauf an den Kunden) oder bei der erstmaligen Übertragung durch den Aussteller (Verkauf zwischen zwei Unternehmern) eindeutig feststehen.

Einzweck-Gutscheine müssen sowohl Angaben zur Identität des Leistungserbringers als auch zur Gattung des Leistungsgegenstands enthalten (z.B. Möbel, Speisen). Sofern bei Dienstleistungen die Unternehmereigenschaft für den Leistungsort maßgeblich ist, ist auch dies zu vermerken.

Damit liegen bereits bei Gutscheinausstellung alle Informationen vor, die für die umsatzsteuerliche Einordnung der zu Grunde liegenden Leistung erforderlich sind: Identität des leistenden Unternehmers, der Mitgliedsstaat der Besteuerung und der Steuersatz.

  • Die Umsatzsteuer auf die durch den Gutschein geschuldete Leistung entsteht bei Sollversteuerung im Zeitpunkt der Ausgabe; erfolgt vor Ausgabe des Gutscheins eine Übertragung des Gutscheins auf einen anderen Unternehmer, entsteht die Umsatzsteuer im Übertragungszeitpunkt.
  • Bei Nicht-Einlösung kann keine Änderung der Bemessungsgrundlage geltend gemacht werden, da der Umsatz bei der Ausgabe des Gutscheins bereits erbracht worden ist.

Beispiel E1:

Parfümerie gibt Gutschein im Wert von 100 Euro aus zum Erwerb aller Artikel im Sortiment, einlösbar in allen deutschen Filialen.

  • Einzweckgutschein: Ort = Deutschland, Steuersatz = 19%, Leistender = Parfümerie

Beispiel E2:

Deutsches Hotel verkauft 600 Euro – Gutschein über „Relax-Wochenende“ bestehend aus zwei Übernachtungen à zwei Personen in der Arber-Suite inklusive zwei Hot-Stone Massagen.

  • Einzweckgutschein trotz Mischung von zwei Steuersätzen (ÜN 7% und Wellness 19%), da genau bezeichnete Einzelleistungen vorliegen.

Beispiel E3:

Kunde K kauft im Jan 2021 einen Gutschein über 50 Euro in einem Modegeschäft. Im März erwirbt er einen Mantel für 200 Euro und bezahlt 150 Euro.

  • Rechnungstext: „Einzweckgutschein für Modeartikel und Accessoires“, 19% USt werden offen ausgewiesen, die Versteuerung des Gutscheins über 50 Euro erfolgt im Januar.
  • Versteuerung der Zuzahlung von 150 Euro im März
  • Rechnungsschema für die Darstellung des Gesamtkaufpreises:
    • Mantel (brutto)               200,00€
    • ./. Einzweckgutschein –    50,00€
    • Brutto                                 150,00€
    • ./. Enthaltene USt        –     23,95€
    • Netto                                    126,05€
  • Würde in der Rechnung die Vorsteuer aus 200 Euro (= 31,93 Euro) offen ausgewiesen, schuldet das Modegeschäft die zu viel ausgewiesene Umsatzsteuer.
  • Würde in der Rechnung die Vorsteuer aus 200 Euro (= 31,93 Euro) offen ausgewiesen, schuldet das Modegeschäft die zu viel ausgewiesene Umsatzsteuer.

 

Besteuerung von Einzweckgutscheinen und Rechnungstellung

1. Übertragung von Einzweckgutscheinen im eigenen Namen

  • Die Übertragung eines Einzweckgutscheins gilt stets als Lieferung des Gegenstands, auf den sich der Gutschein bezieht oder als Erbringung der Dienstleistung, auf die sich der Gutschein bezieht. Dies gilt auch bei Weiterveräußerungen in einer Vertriebskette: Im Zeitpunkt des Gutscheinverkaufs durch den Wiederverkäufer wird eine Leistungserbringung von ihm an seinen Kunden fingiert. Unerheblich ist, ob der Wiederverkäufer auf eigene Rechnung oder auf fremde Rechnung tätig wird.
  • Die tatsächliche Leistungserbringung bei der Einlösung ist steuerlich irrelevant.
  • Muss eine Zuzahlung geleistet werden, ist diese Zuzahlung bei Einlösung zu versteuern.
  • Da die Lieferung / Leistung bei Ausgabe eines Einzweckgutscheins als erbracht gilt, ist bereits in diesem Zeitpunkt eine ordnungsgemäße Rechnung zu erteilen, obwohl der Rechnungsgegenstand noch nicht konkretisiert ist: Zur Vereinfachung ist es für einen ordnungsgemäßen Rechnungstext ausreichend, wenn auf dem Gutschein steht „Einzweckgutschein“ und eine Kurzbeschreibung der Gattung.

Beispiel E4:

Einzelhändler A verkauft im Jan 2021 einen Gutschein für einen Kaffeeautomaten mit Wert 500 Euro für 300 Euro an einen Gutscheinhändler B. B verkauft den Gutschein für 400 Euro im Feb 2021 an den Kunden C. C löst den Gutschein im Mai 2021 ein und erhält den Kaffeeautomaten.

A                                                                           B                                                                           C

300 Euro                                                             400 Euro

  • Aus dem Verkauf A an B im Januar sind 300 Euro zu versteuern, B hat parallel den Vorsteuerabzug
  • Aus dem Verkauf B an C sind im Februar bei B 400 Euro zu versteuern.
  • Bei Einlösung erfolgt keine weitere Besteuerung.

2. Gutscheinausgabe im eigenen Namen durch einen anderen als den leistenden Unternehmer

  • Gibt ein anderer Unternehmer als der spätere Leistungserbringer einen Einzweckgutschein im eigenen Namen aus, wird eine Leistungskette zwischen leistendem Unternehmer, ausgebendem Unternehmer und dem Kunden fingiert.
  • Analog zur Dienstleistungskommission gelten die Leistungen im Zeitpunkt der Ausgabe des Gutscheins an den Kunden als zeitgleich erbracht.
  • Für eine ordnungsgemäße Steueranmeldung muss der Leistungserbringer vom Gutscheinaussteller die Information erhalten, wann und in welcher Höhe Gutscheine an Kunden ausgegeben worden sind (Meldezeitraum sollte schriftlich vereinbart werden, Abrechnung im Gutschriftsverfahren bietet sich in diesen Fällen an)

Beispiel E5:

Ein Gutscheinportal vertreibt Hotelgutscheine à 500 Euro für ein deutsches Hotel. Das Portal gibt die Gutscheine gegen eine Provision von 25% im eigenen Namen aus, einzulösen sind die Gutscheine beim Hotelier H, der für den Gutschein 375 Euro erhält. Im Feb 2021 veräußert das Gutscheinportal einen Gutschein an den Kunden K, der ihn im Mai 2021 beim Hotelier H einlöst.

  • Bei Gutscheinausgabe im Februar wird zum einen eine fiktive Übernachtungsleistung von H an das Gutscheinportal für 375 Euro erbracht und zeitgleich eine fiktive Übernachtungsleistung vom Gutscheinportal an den Kunden über 500 Euro.
  • Das Gutscheinportal erteilt dem Hotelier am 01. März eine Gutschrift über einen „Einzweckgutschein für Hotelübernachtung im Hotel H“ und kann den Vorsteuerabzug geltend machen.

3. Verkauf von Gutscheinen im fremden Namen (Vermittlungsgeschäfte)

  • Veräußert ein Vermittler einen Einzweckgutschein im fremden Namen, wird er nicht Teil der Leistungskette, die Gutscheinausgabe gilt als Leistung desjenigen, in dessen Namen der Vermittler handelt.
  • Bemessungsgrundlage für die Umsatzsteuer ist der Bruttoverkaufswert des Vermittlers
  • Auch hier ist der Leistungserbringer für eine korrekte Steueranmeldung auf Informationen durch den Vermittler hinsichtlich Verkaufszeitpunkt und Bruttoentgelt angewiesen, das Gutschriftsverfahren bietet sich auch hier an.

Beispiel E6:

Ein Gutscheinportal vertreibt Hotelgutscheine à 500 Euro im Namen und für Rechnung eines deutschen Hotels. Das Portal erhält eine Provision von 25%, einzulösen sind die Gutscheine beim Hotelier H, der für den Gutschein 375 Euro erhält. Im Feb 2021 veräußert das Gutscheinportal einen Gutschein.

  • Bei der Gutscheinausgabe im Februar wird eine fiktive Übernachtungsleistung von H an den Kunden für 500 Euro erbracht, der Hotelier erteilt eine Rechnung über einen „Einzweckgutschein für eine Hotelübernachtung“ – Besteuerung mit 7% USt.
  • Das Gutscheinportal erbringt eine Vertriebsdienstleistung an den Hotelier.

 

Leistungsort beim Verkauf von Einzweckgutscheinen

Der Leistungsort richtet sich nach der im Gutschein bezeichneten Leistung.

  • Beinhaltet der Gutschein eine sonstige Leistung, so bestimmt sich der Leistungsort im Zeitpunkt der Ausgabe / erstmalige Übertragung nach § 3a UStG; hängt die Ortsbestimmung vom Unternehmerstatus des Empfängers ab, muss feststehen, ob der Empfänger Unternehmer ist und die sonstige Leistung für sein Unternehmen bezieht.
  • Beinhaltet der Gutschein eine Lieferung, so wird eine ruhende Lieferung nach § 3 Abs. 7 S. 1 UStG unterstellt, da im Zeitpunkt der fiktiven Lieferung keine Warenbewegung erfolgt.Dies impliziert, dass die Lieferung nicht als Ausfuhr oder innergemeinschaftliche Lieferung steuerfrei sein kann und auch nicht den Regularien der Fernverkäufe unterliegt. Ein Warengutschein ist somit laut BMF nicht alleine deswegen ein Mehrzweckgutschein, weil sich der Kunde die Ware überall hin liefern lassen kann oder steuerfreie Umsätze vorliegen könnten.

Beispiel E7:

Kundin K kauft im Januar 2021 einen Gutschein für eine Handtasche bei einem deutschen Versandhändler V. V unterhält (nur) ein Auslieferungslager in Luxemburg. Im Februar 2021 erwirbt K die Handtasche, die ihr V direkt von Luxemburg aus zusenden lässt.

  • Der Versandhändler hat den Umsatz im Januar 2021 zu versteuern.
  • Durch die Fiktion einer ruhenden Lieferung ist die Lieferung steuerbar in Luxemburg mit 17% USt, da die Ware nur aus Luxemburg kommen kann. Der Kunde spart beim Gutscheinerwerb im Vergleich zum direkten Schuhkauf 2% Umsatzsteuer ein.

Beispiel E8:

Ein französischer Modeshop erwirbt im Januar 2021 einen Gutschein über 100 Euro für Stiefel beim deutschen Unternehmer U. Im März 2021 erwirbt er ein Paar Stiefel im Wert von 400 Euro, lässt sich seinen Einkauf nach Frankreich schicken und leistet eine Zuzahlung von 300 Euro.

  • Im Januar sind 100 Euro mit 19% zu versteuern, da eine ruhende Lieferung vorliegt.
  • Im März können 300 Euro als steuerfreie ig Lieferung fakturiert werden, da die Stiefel jetzt verschickt werden.
  • Abweichung zwischen UStVA / ZM und der Intrastatmeldung, weil in der Intrastatmeldung der statistische Wert von 400 Euro anzugeben ist.
  • Sofern das EU-Ausland den Gutschein nicht als Einzweck-Gutschein einstuft, könnte es zudem zu einer Doppelbesteuerung kommen.

 

Mehrzweckgutschein

Ein Mehrzweckgutschein ist ein Gutschein, der kein Einzweckgutschein ist.

Da mindestens eines der Kriterien Leistungsort, Leistungserbringer oder Leistungsgegenstand nicht endgültig feststeht, kann der Steuersatz im Zeitpunkt der Ausgabe oder Übertragung nicht eindeutig definiert werden.

Beispiel M1:

Modegeschäft gibt Gutschein im Wert von 50 Euro aus zum Erwerb aller Artikel im Sortiment, einlösbar in den deutschen und österreichischen Filialen.

  • Mehrzweckgutschein, da der Leistungsort im Zeitpunkt der Übertragung nicht feststeht.

Beispiel M2:

Kaufhaus in München gibt einen Gutschein über 100 Euro aus zum Erwerb aller Artikel im Sortiment (Food und Non-Food).

  • Mehrzweckgutschein, da der Steuersatz bei Gutscheinausgabe noch nicht feststeht, nachdem der Gutscheininhaber frei entscheiden kann, für welche Artikel zu welchem Steuersatz er den Gutschein einlöst.

 

Besteuerung von Mehrzweckgutscheinen und Rechnungstellung

  • Nur die Einlösung des Gutscheins unterliegt der Umsatzsteuer, da der Steuersatz erst bei Einlösung endgültig feststeht.
  • Wird ein Mehrzweckgutschein gegen Rückzahlung des Entgelts zurückgegeben, erfolgt lediglich ein Rücktausch von Zahlungsmitteln
  • Die Ausgabe oder vorherige Übertragungen innerhalb einer Vertriebskette stellen nur den Tausch von Zahlungsmitteln dar und sind steuerlich unbeachtlich. Aus diesem Grund darf für die Ausgabe / Übertragung des Gutscheins keine Rechnung mit Steuerausweis generiert werden, da es sich andernfalls um unrichtigen Steuerausweis nach § 14c UStG handelt.
  • Bemessungsgrundlage: Betrag, den der Kunde für den Gutschein bezahlt hat; ist dem Leistungserbringer dieser Betrag unbekannt, so ist der Nennwert des Gutscheins maßgeblich.
  • Bei Nicht-Einlösung des Gutscheins innerhalb der Gültigkeitsdauer resultiert eine zusätzliche Einnahme ohne Leistungserbringung, die unversteuert bleibt. Vertriebsdienstleistungen sind dennoch zu versteuern, ihr Entgelt kann sich ja nach Vertragsgestaltung auch erhöhen oder vermindern.

Beispiel M3:

Einzelhändler A verkauft einen Gutschein mit Wert 50 Euro für sein Warensortiment (7% und 19%) im Jan 2021 für 40 Euro an einen Gutscheinhändler B. B verkauft den Gutschein für 45 Euro im Feb 2021 an den Kunden C. C löst den Gutschein im März 2021 ein und erwirbt Ware von 50 Euro zum ermäßigten Steuersatz.

A                                                                            B                                                                           C

Jan 21 / 40 Euro                                                      Feb 21 / 45 Euro

  • Verkauf A an B im Jan ist unbeachtlich, keine Rechnungsstellung mit USt
  • Bei Verkauf B an C erbringt B eine Vertriebsdienstleistung an A in Höhe von 5 Euro, die im Feb 2021 zu versteuern ist.
  • A hat im März den Umsatz von 45 Euro zu versteuern.

Variante: Wenn A den Verkaufswert von 45 Euro an C nicht kennt, hat er im März den Nennwert 50 Euro zu versteuern, B versteuert im Feb eine Vertriebsdienstleistung von 5 Euro.

Beispiel M4:

Einzelhändler A verkauft einen Gutschein mit Wert 50 Euro für sein Warensortiment (7% und 19%) im Jan 2021 für 40 Euro an einen Gutscheinhändler B und vereinbart, dass B den Gutschein maximal für 45 Euro weiterverkaufen darf. B verkauft den Gutschein für 44 Euro im Feb 2021 an den Kunden C. C löst den Gutschein im März 2021 ein und erwirbt Ware von 50 Euro zum ermäßigten Steuersatz.

A                                                                            B                                                                           C

Jan 21 / 40 Euro                                                      Feb 21 / 44 Euro

  • Verkauf A an B im Jan ist unbeachtlich
  • Bei Verkauf B an C erbringt B eine Vertriebsdienstleistung an A in Höhe von 4 Euro, die im Feb 2021 zu versteuern ist.
  • A hat im März den Umsatz von 45 Euro zu versteuern, der höhere Nennwert und der niedrigere Verkaufswert sind unerheblich.

Beispiel M5:

Das Gutscheinportal B bietet Übernachtungsgutscheine von der weltweiten Hotelkette A an. C erwirbt im Jan 21 einen Übernachtungsgutschein für 100 Euro. Vertraglich ist geregelt, dass B 20% Vertriebsprovision erhält und die restlichen 80% bei Einlösung des Gutscheins an A ausbezahlen muss.

  • B hat im Jan 21 20 Euro zu versteuern
  • Wenn der Gutschein nicht eingelöst wird, hat A nichts zu versteuern und B hat 80 Euro nachzuversteuern, weil der das Geld nicht an A weitergegeben muss.

 

Entscheidung über Einzweck- oder Mehrzweckgutschein

Nach Abschn. 3.17 Abs. 2 UStAE soll der Gutscheinaussteller jeden Gutschein als Einzweck- oder Mehrzweckgutschein kennzeichnen. Die rechtliche Einordnung ist dabei vom leistenden Unternehmer vorzunehmen, was problematisch ist, wenn der Gutscheinaussteller und der leistende Unternehmer nicht identisch sind; in diesem Fall müssen sich beide Unternehmer einigen.

  • Vor der Ausgabe von Gutscheinen sollte verbindlich geprüft werden, welche Art von Gutscheinen im Unternehmen ausgegeben werden.
  • Diese Prüfung hat mit größter Sorgfalt zu erfolgen, da die eigene Kennzeichnung zugleich Auswirkung auf die Besteuerung anderer Unternehmer hat.
  • In mehrstufigen Vertriebsketten genießt ein Unternehmer hinsichtlich der Einordnung durch den Leistungserbringer Vertrauensschutz, außer er wusste oder hätte wissen müssen, dass die Einordnung unzutreffend war.
  • Fehlt eine Kennzeichnung (etwa bei Bezug aus dem EU-Ausland): eigene Beurteilung erforderlich, ob alle Kriterien für einen Einzweckgutschein vorliegen.
  • Bei abweichenden Beurteilungen ist eine Abstimmung mit dem Veräußerer oder dem Finanzamt vorzunehmen, da in diesem Fall kein Vertrauensschutz besteht.

 

Gutscheine unter dem Aspekt der temporären Steuersatzänderung

Im BMF-Schreiben vom 04.11.2020 (zu der Steuersatzerhöhung ab 01.01.2021) trifft das BMF eine Klarstellung zu Einzweckgutscheinen, deren Vereinbarkeit mit dem Gesetzeswortlaut umstritten ist.

Einzweck-Gutscheine setzen wie oben dargestellt voraus, dass die geschuldete Umsatzsteuer für die Gutscheinleistung im Zeitpunkt der Ausstellung eindeutig definierbar ist.

  • Interpretation des BMF: Es ist ausreichend, wenn der Steuersatz im Zeitpunkt der Gutscheinausgabe definiert ist; dass sich der Steuersatz bis zur Einlösung des Gutscheins ändert, wird nicht berücksichtigt, da eine ruhende Lieferung im Ausgabezeitpunkt fingiert wird.

Beispiel:

Ein Restaurant gibt am 10.01.2021 einen Gutschein über 100 Euro aus, der zum Verzehr von Speisen (ohne Getränke!) vor Ort berechtigt und bis 09.01.2024 eingelöst werden darf.

  • Restaurationsleistungen: Bis 30.06.2021 gilt die Steuersatzermäßigung auf 7%, ab 01.07. wieder Rückkehr zu 19% USt
  • NEU laut BMF: Einzweckgutschein!

Die Auffassung, dass der Steuersatz nicht feststeht, wenn der Steuersatz der bezogenen Leistung innerhalb der Gültigkeitsdauer je nach Einlösezeitpunkt variiert, wird vom BMF abgelehnt.

 

Abgrenzung von Gutscheinen zu Anzahlungen

Gutschein:          Der Leistungsgegenstand ist in der Gattung bestimmbar, aber nicht hinreichend konkretisiert, und der Gutscheininhaber kann den Einlösezeitpunkt frei wählen oder den Gutschein übertragen.

Anzahlung:         Der Leistungsgegenstand ist inhaltlich konkretisiert, z.B. liegt eine verbindliche Bestellung vor oder Abnahmeverpflichtung durch den Kunden vor. Die Bezahlung gilt als geleistete Anzahlung.

Konsequenz: Anpassung des Steuersatzes im Zeitpunkt der Leistungsausführung.

 

Für Rückfragen steht Ihnen unser Umsatzsteuer-Team gerne zur Verfügung.

 

Bitte beachten Sie zu diesem Thema auch unser Online Seminar am 17. Februar 2021. 

 

Petra Weikl
Diplom-Kauffrau (Univ.)
Zertifizierte Fachkraft für das Umsatzsteuerrecht (IFU/IWIST)

Pascal Wirth
Steuerberater

 

Bildnachweis: paper24.de