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Entschädigungsansprüche bei Quarantäne

Ein in letzter Zeit in den öffentlichen Fokus gelangtes Spezialgesetz ist das Infektionsschutzgesetz (kurz „IfSG“). Behördliche Anordnungen einer Absonderung im häuslichen Bereich (gemeinhin bekannt als „Quarantäne“) und von Tätigkeitsverboten bei Personen, die im Lebensmittelbereich tätig sind, werden auf das IfSG gestützt.  Diese Anordnungen haben gemeinsam, dass sie sich gegen eine bestimmte Person richten, von der die potenzielle Gefährdung einer Ansteckung mit COVID-19 ausgeht. Im nachfolgenden Beitrag erläutern wir, in welchen Fälle bei solchen Anordnungen Entschädigungsansprüche nach dem Infektionsschutzgesetz greifen und unter welchen Voraussetzungen staatliche Erstattungsansprüche für Selbstständige und Arbeitgeber bestehen.

1. Allgemeine Voraussetzungen

Voraussetzung für jegliche Entschädigungsansprüche nach dem Infektionsschutzgesetz ist stets das Verbot der Erwerbstätigkeit oder die Anordnung einer häuslichen Absonderung aus infektionsschutzrechtlichen Gründen. Dabei muss eine behördliche Anordnung der ausschlaggebende Grund dafür sein, dass nicht mehr gearbeitet werden kann.

Zuständige Behörden für die Bearbeitung etwaiger Entschädigungsansprüche sind in Bayern die Regierungsbezirke. Der Entschädigungsanspruch ist beim zuständigen Regierungsbezirk innerhalb von drei Monaten nach Ende der Quarantäne einzureichen – bei einem Arbeitnehmer ist der Arbeitgeber zur Geltendmachung befugt, da er für sechs Wochen den Lohn fortzahlt (vgl. noch unten).

Über den folgenden Link gelangen Sie zur Seite der Regierung von Niederbayern, auf welcher Sie sich auch das Antragsformular downloaden können:

https://www.regierung.niederbayern.bayern.de/aufgabenbereiche/5g/rechtsfragen/entschaedigung_ifsg/index.php

2. Entschädigungsanspruch nach § 56 IfSG

Eine Entschädigung nach § 56 IfSG kann immer dann beansprucht werden, wenn ein positiv getesteter COVID-19-Patient ein behördliches Tätigkeitsverbot auferlegt bekommt oder wenn ihm oder einer Kontaktperson eines positiv Getesteten vorsorglich behördlich eine 14-tägige Absonderung im eigenen Haushalt (die Quarantäne) angeordnet wird.

Bei Selbstständigen umfasst der Entschädigungsanspruch den eigenen Verdienstausfall. Für Arbeitnehmer, die aufgrund der Quarantäne des Chefs nicht mehr beschäftigt werden können, die aber selbst nicht betroffen sind, ist deren Verdienstausfall jedoch nicht erstattungsfähig. Sie können bei fehlender Beschäftigungsmöglichkeit gegebenenfalls in Kurzarbeit geschickt werden.

Für Arbeitnehmer, die während der Quarantänezeit nicht im Homeoffice arbeiten können (vgl. dazu Ziffer 3) regelt § 56 Abs. 5 IfSG, dass der Arbeitgeber den Lohn während der Quarantäne für die ersten sechs Wochen unvermindert fortzahlt und im Gegenzug der Entschädigungsanspruch auf ihn übergeht. Die Lohnfortzahlungspflicht für den Arbeitgeber besteht damit ebenso wie bei Arbeitsunfähigkeit. Er hat allerdings einen hundertprozentigen Entschädigungsanspruch, den er bei seinem Regierungsbezirk geltend machen kann. Hierbei ist jedoch zu beachten, dass das IfSG nur solange gilt, wie der betreffende Arbeitnehmer nicht von einem Arzt arbeitsunfähig krankgeschrieben wurde. Dies geschieht, wenn ein positiv auf COVID-19 getesteter Arbeitnehmer Symptome hat oder später entwickelt. Sodann handelt es sich um eine normale Arbeitsunfähigkeit und es besteht kein Entschädigungsanspruch nach § 56 IfSG (vgl. dazu nochmal näher unter Ziffer 4).

Vorsicht: Mittlerweile empfehlen die Behörden Personen, bei denen zwar gewisse Verdachtsmomente bestehen, eine Infektion(-skette) aber nicht nachgewiesen ist, häufig, sich freiwillig 14 Tage in Quarantäne zu begeben. Hierin liegt keine behördliche Maßnahme im Sinne des § 56 IfSG, Entschädigungsansprüche werden nicht begründet! Die behördliche Anordnung einer Quarantäne erfolgt stets durch schriftlichen Bescheid des zuständigen Gesundheitsamtes.

Lassen Sie sich diesen Bescheid als Arbeitgeber stets zeigen bzw. aushändigen, um sicherzugehen, dass bei Ihrem Mitarbeiter tatsächlich behördlich eine Quarantänemaßnahme angeordnet wurde!

Liegt eine solche staatliche Anordnung nicht vor, kann sich der Arbeitgeber zum einen nicht beim Staat schadlos halten, vor allem aber ist der Arbeitnehmer ohne eine solche Anordnung grundsätzlich zur Erbringung seiner Arbeitsleistung verpflichtet. Begibt er sich freiwillig in eine angeratene Quarantäne, muss er mit dem Arbeitgeber einvernehmlich eine Lösung für diese Zeit (z.B. Homeoffice, Urlaub-/ Überstundenabbau) finden.

Achten Sie als Arbeitgeber ferner auf Folgendes:

Auch wenn Ihr Arbeitnehmer unter 14-tägige Quarantäne gestellt wurde und Ihnen mangels Homeoffice-Möglichkeit in diesem Zeitraum nicht zur Verfügung steht, halten Sie bzw. der zuständige Abteilungsleiter Kontakt zu dem betroffenen Mitarbeiter und erkundigen Sie sich regelmäßig nach seinem Befinden.

Sollte der Mitarbeiter während der Quarantänezeit mit leichten Symptomen erkranken, jedoch keinen Arzt benötigen und auf eine Krankschreibung verzichten (weil er ja ohnehin zu Hause ist), droht eine Regelungslücke! Das Infektionsschutzgesetz findet nämlich auf „kranke“ Personen keine Anwendung – gibt man später im Rahmen des Entschädigungsantrags bei der Regierung als Arbeitgeber wahrheitsgemäß an, der Arbeitnehmer hätte Symptome gehabt, kann die Entschädigung nach IfSG daher verweigert werden. Gleichzeitig kann es ohne Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung dann schwer werden, sich über die Krankenkasse im Wege der Umlage die geleistete Entgeltfortzahlung „wiederzuholen“.

Die Quarantäne ersetzt also nicht die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung, wenn Ihr Arbeitnehmer während dieser Zeit erkrankt! Sprechen Sie Ihre Arbeitnehmer aktiv darauf an, sich in diesem Fall krankschreiben zu lassen – das ist mittlerweile auch wieder telefonisch möglich, es muss also nicht gegen die Quarantäne verstoßen werden.

3. Problem der Lohnfortzahlung nach § 616 BGB

Ein weiterer Aspekt, der im Rahmen der Erstattung Probleme bereiten kann, ist der § 616 BGB. Dieser besagt, dass der Arbeitnehmer für einen „nicht erheblichen Zeitraum“ einen Lohnfortzahlungsanspruch gegen den Arbeitgeber hat, wenn der ohne sein eigenes Verschulden vorübergehend an der Ausübung seiner Arbeit verhindert ist – das ist etwa der Fall bei Pflege eines kranken Kindes oder beim Tod von Angehörigen.

Die Lohnfortzahlung nach § 616 BGB kann im Arbeitsvertrag ausgeschlossen werden. Enthält der Arbeitsvertrag keinen Ausschluss von § 616 BGB, bedeutet das für die Quarantäne-Entschädigung, dass der Arbeitgeber für diesen „nicht unerheblichen Zeitraum“ eine Lohnfortzahlungspflicht hat, eine Erstattung ist insofern nicht vorgesehen. Denn der Arbeitnehmer ist ja in aller Regel unverschuldet in Quarantäne – etwas anderes ist es allerdings, wenn der Arbeitnehmer vorsätzlich in ein bereits bestehendes Risikogebiet gereist ist.

Die bayerischen Behörden stufen als „nicht unerheblichen Zeitraum“ in der Regel etwa 5 Arbeitstage ein und ziehen diese von der Entschädigung ab, wenn § 616 BGB nicht arbeitsvertraglich ausgeschlossen wurde. Dieses Problem kann also im Rahmen des Erstattungsantrags auftreten. Prüfen Sie vor der Antragstellung deshalb Ihre Arbeitsverträge entsprechend.

4. Muss der Arbeitnehmer in der Quarantäne arbeiten, wenn das möglich ist?

Findet die Quarantäne-Maßnahme bei dem Arbeitnehmer zu Hause statt und ist ihm dort die Arbeit im Homeoffice möglich, ist er verpflichtet, diese Möglichkeit auch zu nutzen. Seine Pflicht zur Arbeit entfällt erst dann, wenn er durch eine Erkrankung arbeitsunfähig wird. Wenn der Arbeitnehmer im Homeoffice arbeitet, hat er im Umfang der tatsächlich geleisteten Arbeit keinen Verdienstausfall. Der Arbeitgeber ist dann insoweit zur Lohnzahlung regulär verpflichtet, ein Entschädigungsanspruch besteht (mangels Schadens) nicht.

5. Besonderheit bei zeitlichem Zusammentreffen von Arbeitsunfähigkeit und Quarantäne

Bei Personen, die sich in einer behördlich angeordneten Quarantäne aufgrund des Coronavirus befinden, aber nicht positiv getestet wurden, muss bzw. soll der Arzt auch keine AU-Bescheinigung für den Arbeitgeber ausstellen. Dies gilt auch für positiv getestete Personen, die keine Symptome aufweisen. In diesem Fall ist die Entgeltfortzahlung durch den Arbeitgeber über die Entschädigung nach § 56 IfSG gesichert, wenn nicht im Homeoffice gearbeitet werden kann.

Wird während einer bereits bestehenden Arbeitsunfähigkeit staatlich Quarantäne angeordnet oder wird der Arbeitnehmer während bereits laufender Quarantäne wegen eintretender Krankheitssymptome vom Arzt krankgeschrieben – gleichgültig, ob wegen einer Corona- oder sonstigen Erkrankung – gilt der Grundsatz, dass die Arbeitsunfähigkeit die Quarantäne „überwiegt“.

Denn solange er arbeitsunfähig ist, könnte der Arbeitnehmer auch ohne Quarantäneanordnung nicht arbeiten, die Voraussetzungen des § 56 IfSG sind nicht erfüllt. Die Arbeitsleistung entfällt also nicht (ausschließlich) aufgrund der Quarantäneanordnung.

In diesem Fall hat der Arbeitgeber die reguläre Lohnfortzahlung bei Krankheit gem. § 3 des Entgeltfortzahlungsgesetzes (EFZG) für die Dauer von sechs Wochen zu leisten. Eine Erstattung durch die Regierung erfolgt für die Zeit der Arbeitsunfähigkeit nicht, der Arbeitgeber ist auf die reguläre Umlage durch die Krankenkasse angewiesen.

6. Besonderheit bei zeitlichem Zusammentreffen von Quarantäne und Kurzarbeit

Tritt die Quarantäneanordnung für den Arbeitnehmer in Kraft, während dieser sich in Kurzarbeit befindet, so beläuft sich der Entschädigungsanspruch des Arbeitgebers nach § 56 Abs. 5 IfSG nur auf denjenigen Teil, für den der Arbeitnehmer durch Teilzeitarbeit tatsächlich gearbeitet hätte. Denn nur insofern besteht ein Verdienstausfall aufgrund von Quarantäne. Bezüglich der restlichen Arbeitszeit, die wegen Kurzarbeit entfällt, besteht kein Arbeitsausfall aufgrund der Quarantäne. Damit verbleibt es insofern bei Anspruch auf Kurzarbeitergeld, den Sie als Arbeitgeber gegenüber der Bundesagentur für Arbeit geltend machen.

Es gilt: der Entschädigungsanspruch nach dem Infektionsschutzgesetz ist stets nachrangig! Besteht zwar Quarantäne, existiert aber gleichzeitig noch ein anderer Grund, weshalb der Arbeitnehmer nicht arbeiten kann, so besteht auch grundsätzlich kein Anspruch nach Infektionsschutzgesetz.

7. Elternhilfe Corona, § 56 Abs. 1a IfSG

Im Sommer neu eingeführt wurde zudem die sogenannte „Elternhilfe Corona“, ein Entschädigungsanspruch für Eltern, deren Kinder wegen behördlich angeordneter Schul- und Kindergartenschließung einen Verdienstausfall erleiden.

Sprechen Sie unsere gerne an, wenn ein solcher Fall in Ihrem Betrieb auftritt und Sie weitere Informationen zu den Voraussetzungen, zur Höhe der Entschädigung sowie zur Antragstellung benötigen.

 

Bei Rückfragen können Sie sich, wie gewohnt, gerne an die Rechtsabteilung wenden.

Kontakt:

Rechtsanwältin Eileen Strohschen
Tel.: 0991/37 005-513
E-Mail: eileen.strohschen@kittl-partner.de

 

Rechtsanwältin Kristina Günzkofer
Tel.: 0991/37 005-304
E-Mail: kristina.guenzkofer@kittl-partner.de